Die Wallfahrt


Wallfahrt oder Wohlfahrt?

Auf die Frage, wie es ihm gehe und ob er bis zum Ziel noch durchhalte, antwortete ein junger Mann sichtlich müde, aber froh: Na klar! Wir sind doch auf einer Wallfahrt und nicht auf einer Wohlfahrt! Und das waren keine leeren Worte.

Es ist eine wertvolle Erfahrung, drei Tage in einer Gemeinschaft von gläubigen Menschen zu pilgern, die für diese Zeit gerne auf manche Annehmlichkeiten verzichten, allerlei Strapazen auf sich nehmen und dabei doch glücklich und zufrieden sind. Der Geist, den man dort spürt, ist regelrecht ansteckend! Dabei geht es wie im richtigen Leben: Ein Ziel vor Augen, dass der Mühe lohnt, geht man gerne den Weg, auch wenn er manchmal steil ist. Das Ziel des Pilgers ist nicht in erster Linie die frohe Gemeinschaft, auch nicht die herrliche Natur der Schweiz, auch nicht die Freude, auf den alten Pfaden der Jakobspilger zu wandeln, auch nicht die ausgezeichnete Pilgersuppe, sondern die grössere Ehre Gottes. Das, wozu wir auf Erden sind, was Sinn und Ziel unseres Lebens ist, wird in solchen Tagen ganz ausdrücklich ins Visier genommen.

Während der Wallfahrt hat man viel Zeit zum Nachdenken, bekommt wertvolle Impulse, singt und betet und lacht. Priester spenden die Sakramente, hören zu und geben Rat. Das tut gut, und am Ende geht man frohgemut und 'vollgetankt' nach Hause.
 

Die Initiative zu dieser Wallfahrt ging von P. Franz Prosinger aus. Als nämlich im Jahr 2000 die traditionelle Fusswallfahrt von Paris nach Chartres ausnahmsweise nicht zu Pfingsten stattfinden konnte, war dies die Geburtsstunde von Pelagi-Einsiedeln, denn was währe Pfingsten ohne Fusswallfahrt? In den folgenden Jahren ist man dann dabei geblieben, indem man die Wallfahrt in den Oktober verlegte. Man muss wohl eingestehen, dass sie der grossen Schwester nicht wirklich Konkurrenz machen kann. In Chartres sind es immerhin mehr als 10.000, die jeweils am Pfingstmontag zur Kathedrale Unserer Lieben Frau von Chartres pilgern. Das muss man erlebt haben! Trotzdem darf man einen Vergleich wagen. Die Organisation der Wallfahrt nach Einsiedeln ist nicht weniger gut. Ein ausgezeichnet eingespieltes Team denkt wirklich so ziemlich an alles. Und ein klein wenig familiärer ist es auch.

Ablauf der Wallfahrt

Wer von fern anreist findet schon am Donnerstag gastliche Aufnahme bei den Schwestern vom Kostbaren Blut in St. Pelagiberg, nicht weit von St. Gallen, in Sichtweite des Bodensees. Frisch ausgeruht wird am Freitagmorgen zuerst das grosse Gepäck abgegeben, um tagsüber nur noch mit dem Nötigsten beladen zu sein. Das ist ein grosser Vorteil, den die alten Jakobspilger so noch nicht geniessen konnten! Um 7.30 Uhr feiern wir in der Wallfahrtskirche von St. Pelagiberg die hl. Messe. Anschliessend erwartet uns ein Frühstück. Noch einmal versammeln wir uns vor dem Altar, empfangen den Segen, und unter Glockengeläut geht es los. Zum Z'Nüni wartet ein Helferteam mit Brot und Äpfeln und Tee. Mittagspause halten wir in einem Reiterhof bei Wil. Und dann wird die Strecke so richtig schön, bis wir am Abend nach manchem Lied, Rosenkranz und geistlichen Impuls das erste Tagesziel in Dussnang erreichen. Dort freut man sich, ein richtiges Dach über dem Kopf zu haben - was es in Chartres nicht gibt :-), eine Matratze zu finden, die Suppe zu verkosten und in froher Runde den Tag ausklingen zu lassen. Wenn man dann die Kinder beobachtet, die (ihren noch nicht so langen Beinen entsprechend) einen etwas kürzeren aber dennoch ganz passablen Weg zurückgelegt haben, staunt man über die noch vorhandene Energie!

Am Samstag wird die Gruppe sich vergrössern, denn einige Pilger stossen dann noch dazu. Ein Zmorge mit Kaffee, Schweizer Käse und bester Konfi, dann ein Besuch am Grab der hl. Idda von Toggenburg in der Klosterkirche von Fischingen, um 8.00 Uhr eine feierliche hl. Messe in der schönen Kapelle von Au: So beginnt der zweite Tag! Bis am Abend wird mancher Pilger sich durch eine gute Wallfahrtsbeichte erleichtert haben, denn Beichtgelegenheit besteht den ganzen Tag über. Tagesziel ist die Zivilschutzanlage in Jona.

Der Sonntag beginnt ganz idyllisch mit der überquerung des Zürichsees auf dem traditionellen Pilgersteg. Es ist immer eindrucksvoll, wenn der Nebel sich über dem Wasser erhebt, der Tag langsam hell wird und die Möven ihre Runden drehen, um erstaunt unserem Rosenkranzgesang zu lauschen.

Am Bahnhof in Pfäffikon werden sich um 8.45 Uhr noch weitere Pilger anschliessen, die wenigstens die letzte Etappe mit uns teilen wollen. Nun wird es steil. Langsam aber stetig erklimmen wir den Etzel und machen Station in der Meinradskapelle, von wo aus seinerzeit der hl. Meinrad in den finsteren Wald gezogen ist, um dort sein Einsiedeln zu gründen. Zu Mittag stärken wir uns auf dem Hof freundlicher Bauern, gehen geschwind über die Teufelsbrücke und ziehen mit wachsender Freude die letzten Kilometer in Richtung Einsiedeln. Der Höhepunkt der ganzen Wallfahrt wird der Einzug in die Wallfahrtsbasilika, das Gebet am Gnadenbild Unserer Lieben Frau und das feierliche Hochamt im ausserordentlichen Ritus sein. Ein klein wenig fühlt man sich dann wie im himmlischen Jerusalem. Und vielleicht wird man denken: Es war nicht nur eine Wallfahrt, sondern für die Seele auch eine Wohlfahrt!
Kommen Sie zahlreich zumindest zur Abschlussmesse am Sonntag um 14.30 Uhr!

Wallfahrtsort

Weshalb pilgern wir genau nach Einsiedeln? Was steckt hinter diesem so bedeutenden Wallfahrtsort mit seiner uralten Tradition? Lesen Sie selbst die Geschichte, welche diesem Wallfahrtsort zugrunde liegt. Lesen Sie auch die Geschichte der hl. Idda von Toggenburg, bei deren Grab wir während der Wallfahrt ebenfalls vorbeikommen.

 

Der heilige Meinrad

Meinrad, Sohn des Grafen Berchtold von Zollern und einer Gräfin von Sülchen, wurde 797 zu Saulgau in Schwaben geboren. Er kam schon als Knabe von fünf Jahren in die Klosterschule der Reichenau bei Konstanz. Unter der väterlichen Obhut seines Oheims Erlebald entfaltete sich der junge Graf zur schönsten Blüte. Kaum hatte er das erforderliche Alter erreicht, entsagte er allen weltlichen Ansprüchen seines Adels und besiegelte seine Gottesweihe durch die feierlichen Ordensgelübde des hl. Benedikt.


Erlebald ließ den in der Tugend erprobten und an Wissen reichen Meinrad zum Priester weihen und schickte ihn in das Priorat Bollingen am östlichen Ufer des oberen Zürichsee, damit er dort als Lehrer studierende Jünglinge erziehe. Mit seltener Tüchtigkeit waltete er hier mehrere Jahre seines Amtes. Seine Herzensgüte und vortreffliche Erziehungsweise erwarb ihm allgemeine Verehrung und Bewunderung.

Sein lang gehegtes Sehnen, als Einsiedler nur für Gott und mit Gott zu leben, reifte zum festen Entschluss. Mit Einwilligung seines Abtes begab er sich 828 auf den dichtbewaldeten Etzelberg, um in einer einsamen Klause vor der Welt verborgen zu leben. Eine gottesfürchtige Witwe aus Altendorf schenkte ihm das nötige Stücklein Brot. In rauhem Bussgewand, strengem Fasten, heroischem Ertragen des Ungemachs dieser Wildnis opferte sich Meinrad ganz der Liebe Gottes.

Doch das Bedürfnis der Menschen, in ihren Anliegen und Kümmernissen Rat und Trost zu suchen, und das Zutrauen, denselben bei einem Gottesmann zu finden, störte bald die Stille seiner Einsiedelei. Leute jeden Alters und Standes brachten ihre Anliegen zur Klause auf den Etzel. Der Ruf seiner Heiligkeit mehrte die Zahl der Besucher in solchem Grade, dass die Demut den Einsiedler nach sieben Jahren zur Flucht drängt. Im Jahr 835 erbaute er sich im «finsteren Walde» unter den schirmenden Ästen einer Tanne eine dürftige Hütte. Dort hat er viele und heftige innere Kämpfe durchlitten.

Nach und nach aber fanden auch hier trostbedürftige Menschen den frommen Einsiedler, dessen Gesellschafter Jahre lang nur zwei Raben gewesen, wenn er an der Quelle sitzend mit gedörrten Beeren oder Kräutern sich erquickte. Hildegard, die Äbtissin des Frauenmünsters in Zürich, eine Tochter des Königs Ludwig des Deutschen, erfreute ihn mit dem Bau einer Kapelle und schmückte dieselbe mit einem künstlerischen Bild, der «Schwarzen Muttergottes». In Folge dessen mehrte sich die Wallfahrt zum heiligen Einsiedler, und manche fromme Gabe wurde in seine Hand gelegt, womit er Arme und Kranke erfreute. Unermüdlich in heiliger Andacht und frommen Werken der Liebe, arbeitete er hier 26 Jahre, bis der Herr seinen treuen Diener mit der Märtyrerkrone ehrte.

An einem Wintertage, dem 21. Januar 861, kamen zwei Übeltäter zur Meinradzelle, um den Heiligen zu ermorden und, wie sie meinten, seine verborgenen Schätze zu rauben. Der Einsiedler von Gott über die Absicht dieser Fremden belehrt, empfing sie freundlich, setzte ihnen Speise und Trank vor und ging in die Kapelle zu Gebet. Die Mörder aber schlichen ihm nach, schlugen ihn mit Keulenstreichen an den Altarstufen zu Boden und erwürgten ihn. Sogleich erfüllte ein himmlischer Wohlgeruch die ganze Kapelle und zwei Kerzen, welche die Mörder vor die heilige Leiche hinstellten, entzündeten sich von selbst. Dieses Wunder jagte ihnen solchen Schrecken ein, dass sie ohne den Altarschmuck anzurühren, eiligst davonflohen. Aber die beiden Raben verfolgten die beiden mit lautem Geschrei und flatterten mit krächzend um ihre Köpfe. Ein Zimmermann aus Wollerau bemerkte die Eile der zwei Männer und den Grimm der ihm bekannten Raben. Er ahnte das Unglück im finsteren Walde, traf die blutige Leiche dort an und eilte mit der Schreckenskunde nach Zürich.

Die kreischenden Raben verrieten die Schenke, in welcher die Mörder eingekehrt waren. Diese bekannten ihren Frevel und büssten ihn mit dem Tode. Die Gebeine Meinrads kamen zunächst auf die Reichenau, sein Haupt brachte man 1039 nach Einsiedeln zurück.

Das Fest von Maria Einsiedeln wird 16. Juli begangen.

 

Einsiedeln (Engelweihe)

Der Bau des Klosters und der Kirche ward im Jahre 947 vollendet. Zur Sicherung des zeitlichen Unterhaltes der bereits zahlreichen Ordensgemeinde schenkte Herzog Hermann I. Von Alemannien dem Kloster Einsiedeln Grund und Boden, wo dasselbe stand, nachdem er ihn vorher käuflich an sich gebracht hatte, wie aus der Urkunde Kaiser Ottos I. vom Jahre 947 hervorgeht.

Im September des Jahres 948 richtete Abt Eberhard an den heiligen Bischof Konrad von Konstanz, zu dessen bischöflichem Sprengel Einsiedeln damals gehörte, die Bitte, nach Einsiedeln zu kommen und die Kirche einzuweihen. Konrad kam und mit ihm auch der heilige Bischof Ulrich von Augsburg, der Freund des Abtes Eberhard. Und da geschah das Wunder, das der heilige Konrad selbst im Jahre 964 in Rom vor dem Papste, dem Kaiser Otto und seiner Gemahlin Adelheid erzählt hat. In der vom Papste Leo VIII. für das Kloster Einsideln damals erlassenen Bulle heißt es folgendermaßen.

„Wir Leo, Bischof, Diener der Diener Gottes… tun allen gegenwärtigen und künftigen Gläubigen der Kirche Gottes kund. Daß Unser ehrwürdiger Bruder und Mitbischof zu Konstanz, Konrad mit Namen, in Gegenwart Unseres liebsten Sohnes Otto, des Kaisers, und seiner Gemahlin Adelheid mit vielen andern Fürsten, vor unsern apostolischen Stuhl gebracht hat, daß er an einem gewissen Ort in seinem Kirchensprengel, Meinradszell genannt, im Jahre unseres Herrn 948 auf den 14. September berufen worden, um allda zu Ehren der heiligen, hochverherrlichten Gottesmutter und Jungfrau Maria eine Kapelle einzuweihen. Als er aber wie gewöhnlich um Mitternacht zum Gebete aufgestanden, sagte er uns, habe er mit Religiosen desselben Ortes einen sehr lieblichen Gesang gehört und habe bei genauerem Nachforschen, was dies sein möge, in der Tat gefunden, daß die Engel bei Einweihung derselben Kapelle den nämlichen Gesang und die Ordnung hielten, wie sie die Bischöfe bei Kirchweihen zu beobachten pflegen. Als nun am Morgen alles bereit war, der Bischof aber bis gegen Mittag zögerte, kam man zur Kapelle und drang in ihn, die Weihe vorzunehmen. Da er sich aber immer noch weigerte und die Erscheinung erzählte, tadelte man ihn hart, bis er sich zur Vornahme der Weihe anschickte, wo dann alsbald dreimal deutlich die Stimme erscholl: 'Bruder! Laß ab, denn sie ist von Gott geweiht.' Daduch erschreckt, hielt man die Erzählung des Bischofs für wahrhaft und heilig und glaubte von nun an, daß die genannte Kapelle vom Himmel her geweiht sei."

Leo VIII. erklärte dann mit Zustimmung der anwesenden Bischöfe die Einweihung der Kapelle für wahr und gültig und verbot jedem Bischof, dieselbe von neuem zu weihen; zugleich verlieh er allen, die den Ort bußfertig besuchen und ihre Sünden reumütig beichten würden, Nachlaß der zeitlichen Strafen ihrer Sünden. Mehrere der nachfolgenden Päpste haben diese Anordnungen Leos VIII. bestätigt.

Das ist die Engelweihe in Einsiedeln. Was war natürlicher, als daß der Ort weit und breit berühmt wurde und die Zahl der Wallfahrer seit jener Zeit bedeutend zunahm?

Zum Andenken an die wunderbare Weihe der Kapelle wird alljährich am Feste der Kreuzerhöhung, den 14. September, das Fest der Engelweihe gefeiert. Von allen Seiten eilen zu dieser großartigen Feier die Gläubigen in großen Scharen zur Waldstatt. Fällt der 14. September auf einen Sonntag, so dauert die Feier acht Tage und wird „Große Engelweihe" genannt.

Obschon in den Stürmen der Revolution 1798 die alte Kapelle gänzlich zerstört wurde, so hat doch der Glaube und das Vertrauen auf einen besondern Segen Gottes an diesem Orte bei den Völkern nicht abgenommen, sondern auch seither mannigfach sich bewährt, ein Beweis, daß Gott diesen Ort zum Heile vieler auserwählt und mit der Fülle seiner Gnaden ausgezeichnet hat.

 

Die heilige Idda von Toggenburg

Idda wuchs im Schloss Kirchberg (südlich von Ulm) auf. Ihr Vater Graf Hartmann II. verheiratete seine Tochter mit dem Grafen Heinrich aus dem Geschlecht «von Toggenburg». Aus Gehorsam gegen die Eltern willigte Idda in die Heirat ein und zog mit ihm auf das Schloss Toggenburg, im nordwestlichen Teil des Kantons St. Gallen, an der Grenze zum Thurgau.

Heinrich war schön von Gestalt, reich an Gütern und Schlössern, tapfer im Kampf, treuherzig und wohlwollend, aber auch heißblütig und jähzornig. Bei den kleinsten Anlässen brauste er auf und tobte in wildem Grimm. Die sanftmütige Idda trug ihr Kreuz mit grosser Geduld. Im Gebet holte sie sich Trost und Stärke. Durch reichliche Almosen, die sie in die Hütten der Armen und Kranken trug, flehte sie zu Gott um Gnade und pilgerte oft hinab ins Tal den mühsamen Weg zur Klosterkirche in Fischingen und hinüber zur Kapelle der schmerzhaften Mutter in der Au. Ihre Ehe blieb kinderlos. Unter der Dienerschaft war Dominicus, ein Italiener. Idda, arglos und den Bösewicht nicht kennend, behandelte auch ihn wie die andern freundlich und gütig, was dieser dahin deutete, dass die Gebieterin mehr als blosses Wohlwollen gegen ihn hege. Bald aber entdeckte sie die gottlose Absicht dieses Wüstlings, und der Ernst ihres Benehmens schnitt ihm jede Hoffnung ab, das Ziel seines Wunsches zu erreichen. Diese Enttäuschung erfüllte sein Herz mit Hass gegen sie, löschte aber seine Leidenschaft nicht aus. Lange lauerte er auf eine Gelegenheit.

Einmal überfiel er die Gräfin, als sie betend durch den Waldweg hinab zur Kirche ging. Ihren Angstschrei und Hilferuf hörte der Knappe Kuno, der gerade im rechten Augenblick noch zur Rettung der gefährdeten Herrin ankam. Idda dankte Gott innigst für seine gütige Hilfe, verzieh dem Frevler, der Reue heuchelte und befahl auch dem Kuno, über diesen Vorfall zu schweigen. Dominicus aber Schurken, glaubte nicht an fremde Tugend und fürchtete, Idda oder Kuno möchten doch sein Verbrechen offenbaren.

Eines Tages nahm Idda ihre Kleider aus dem Schrank, um sie zu lüften, und legte ihren Schmuck - darunter den Trauring - auf den Tisch. Als sie am Abend Kleider und Geschmeide in den Schrank zurücklegen wollte, war zu ihrem Schrecken der Ehering fort. Nach einiger Zeit fand Kuno einen kostbaren Ring in einem Rabennest des nahen Waldes - es war Iddas Ehering, den ein Rabe ihr durch das offene Fenster vom Tisch davongetragen hatte. Kuno steckte den Ring an seinen Finger und zeigte der Dienerschaft seinen Fund. Dominicus erkannte diesen sogleich als Iddas Ehering. In teuflischer Freude eilte er zum Grafen und verklagte Kuno, er habe mit der Gräfin die Ehe gebrochen. Heinrich ließ sogleich den Kuno kommen und besah den Ring. Sein Gesicht erblasste. In seiner Wut liess er den Knappen an den Schweif eines Pferdes binden und den Schlossberg hinab zu Tode schleifen. Er rannte hinauf in das Gemach seiner Frau, packte sie und warf sie aus dem Fenster über den Schlossfelsen hinab.

Doch Gottes Engel schützten die Unschuldige: In der Tiefe von über 100 Metern erwachte Idda und fand sich unverletzt. Nach einem herzlichen Dankgebet bat sie um Verzeihung und Erbarmen für ihren Mann und gelobte, in der Einsamkeit zu leben. Sie fand im tiefen Wald eine passenden Stelle, wo sie aus Baumästen und Moos eine Hütte baute, sich von Waldbeeren und Kräutern für den Winter eine Vorrat sammelte. So vergingen viele Jahre. Auf der Toggenburg sah es düster aus. Die Dienstleute und Armen trauerten um die gütige Gräfin. Heinrich glaubte selber nicht mehr, dass seine Gattin Ehebruch begangen habe, und sein Gewissen folterte ihn Tag und Nacht. Er fand keine Ruhe mehr und bereute bitter seine Tat. Eines Tages jagte ein alter Jäger im Wald, als seine Hunde plötzlich mächtig anschlugen. Der Jäger folgte ihnen neugierig bis vor eine elende Hütte, schaute durch eine Öffnung hinein und sah eine Menschengestalt, in eine Binsenmatte gekleidet. An den Gesichtszügen erkannte er sogleich seine frühere Herrin. Atemlos ritt er aufs Schloss zurück, um dem Grafen diese freudige Mitteilung zu machen. Heinrich begleitete den Jäger ganz ungläubig zur besagten Stelle im Wald.

Vor Idda auf die Knie fallend, bat er sie um Verzeihung und versuchte sie unter Tränen zu bewegen, mit ihm aufs Schloss zurückzukehren. Idda entschuldigte sich: «Ein heiliges Gelübde bindet mich, dem gütigen Gott in der Einsamkeit zu dienen. Willst du mir aber gütig sein, so baue mir eine Hütte bei der Muttergotteskapelle in der Au.» Idda bewohnte diese Klaus viele Jahre. Früh morgens pilgerte sie nach Fischingen ins Kloster zur hl. Messe, und jeden Morgen ging ein Hirsch vor ihr her, der zwölf Lichter auf seinem Geweih trug und ihr auf dem Weg zum Kloster nach der Messe wieder heim in die Klause leuchtete. In Fischingen bestand neben dem Männerkloster auch ein Frauenkloster. Als die Benediktinerinnen von ihrem heiligmäßigen Leben hörten, baten sie Idda, in ihrem Gotteshaus Wohnung zu nehmen. Man errichtete ihr eine Zelle, in der sie eingeschlossen war. Die hl. Idda ist im Jahr 1226 am Tag nach Allerseelen gestorben. Heute liegt sie in der Kirche zu Fischingen begraben.